Okt 26 2008

Herbstwanderung in den Nordvogesen – 25.10.2008

Geschrieben von um 22:04 unter Jugendgruppe,Tourenberichte

In Ernolsheim, 10 km nördlich von Saverne, kann man auf archäologische Entdeckungsreise gehen. Ein Rundwanderweg von 16,5 km Länge verbindet Ausgrabungen und Kulturdenkmäler aus der Kelten- und Römerzeit sowie dem Mittelalter.

Die Wanderung beginnt bei der Kirche in Ernolsheim und führt zunächst hinauf zum Daubenschlagfelsen, wo früher brennenden Scheiben, geschnitzt aus den Dauben von Weinfässern, ins Tal geschlagen wurden – deshalb heißen die 20 m hohen Sandsteinriffe auch Schiweschlagfelsen. In unmittelbarer Nähe erwartete uns die erste Besonderheit, die Ruinen der Burg Warthenberg.

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Die Maurerreste wurden erst 1979 entdeckt, um dann in 12jähriger mühevoller Arbeit freigelegt zu werden. Es müssen riesige Erdmassen und wildes Gestrüpp gewesen sein, die die Ruine bedeckt haben. Denn es ist schon erstaunlich, dass die 2 m hohen Reste des gewaltigen Bergfrieds mit 10 m Seitenlänge und der 2,50 m hohe romanischen Bogen des Burgtors nicht von den zahlreichen Wanderern entdeckt wurden, die zu dem benachbarten, beliebten Aussichtpunkt gepilgert sind.

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Auf dem Höhenrücken kommt man dann an weiteren Felsformationen wie dem Hühnerfels und dem Kanzelfels (ganz in der Nähe findet man einen römischen Grenzstein) vorbei.

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Der Kanzelfels ragt wie ein Pils aus dem Boden.

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Ein Loch im Fels als Bilderrahmen für Carine.

Dazwischen befindet sich der Steinbruch, in dem die Quader für die Warthenberg gebrochen wurden (Carriére de Frohnberg). Mitten im Steinbruch stößt man auch auf die ersten keltischen Opferschalen (Cupule).

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Unser französischer Gast Patrick bestaunt den Opferstein.

Sind über den schalenförmigen Felsvertiefungen wirklich Menschen geopfert worden? Nachdenklich stellten wir uns vor, wie die schamanischen Prozedere zur Beschwichtigung irgendwelcher bösen Geister wohl ausgesehen haben.

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Emtlang des Rundwanderweges sind immer informative Schautafeln in französischer und deutscher Sprache aufgestellt.

Entweder sind die Kelten aus dem Tal hier hoch gestiegen, um ihr blutiges Werk zu begehen, oder sie kamen aus der nur 2 km entfernen Höhensiedlung der so genannten Heidenstatt (Oppidum Celtique), die noch recht gut an zwei 400 m langen Wallanlagen zu erkennen sind.

An der Kreuzung „Croix de Langenthal“ wird an A. Elrichsen (vermutlich geboren 1611) erinnert, der im dreißigjährigen Krieg an dieser Stelle ermordet wurde. Er gehörte als Offizier der plündernden Armee des Generals Ernst von Mansfeld an, die das Nordelsass verwüstete.

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Es kommt einem vor, als ob dieses Kreuz ein Brückenschlag aus der Keltenzeit zu den schweren Zeiten zwischen 1618 und 1648 darstellt, denn in nur 2,5 km Entfernung trifft man nun auf die phantastischen Stampflöcher.

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In eine große Felsplattform haben vermutlich die Bürger der umliegenden Dörfer, die vor den Kriegsscharen des Religionskrieges geflohen sind, über 30 Schalen hineingetrieben, um darin ihr Getreide zu stampfen. Meist sind die Löcher mit Wasser gefüllt, was diesem Kulturdenkmal erst recht einen mystischen Reiz verleiht.

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Auch hier hat man vor langer Zeit einen Steinbruch betrieben, denn in unmittelbarer Nähe findet man noch einige unfertige Mühlsteine, Felsquader und einen angefangenen Brunnentrog. Im Volksmund hat man auch diesen Brunnenschale angedichtet, dass es sich um einen Opferstein handelt, aus dessen Rinnen nach der rituellen Schlachtung das Blut hat abfließen können.

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Verlässt man die Stampflöcher stößt man auf einen erst vor kurzem angelegten Lehrpfad, der an Ausgrabungen eines gallisch-römischen Gutshofes vorbeiführt. Jeweils in 500 m Entfernung zum Gutshof findet man einen Steinbruch und einen Urnenfriedhof.

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Drei Gräber, jeweils mit einer Sandsteinabdeckung, wurden gefunden.

Bis zum Hauptziel der Wanderung, dem Mont-Saint-Michel, kommt man noch an den Felsformationen der Rocher des Dames …

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… und der Roches Plates vorbei, von wo man Tiefblick auf die Autobahn werfen kann, die über die Zaberner Steige nach Paris führt.

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Patrick und Carine, unsere französischen Wandergäste, Timo und Simon.

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Die nach dem Erzengel Michael benannte Kapelle, die auf einem Felsen hoch über St.Jean-Saverne erbaut wurde, ist jedoch nicht der Höhepunkt der Tour, sondern das Hexenloch, dass sich vor dem Kirchlein auf einer Felsplattform befindet und die unmittelbar darunter liegende Hexengrotte.

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Beim Hexenloch handelt es sich um den größten Schalenstein des Elsass mit 4,60 m Durchmesser. An der kreisrunden, 50 cm messenden Bodenvertiefung sollen nach der Sage die Hexen das Zaubern gelernt haben.

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In der Grotte, in der im 13. Jahrhundert christliche Einsiedler gewohnt haben, befindet sich ein im Boden eingemeiselter Sarkophag, der wohl nicht zur Bestattung gedacht war. Haben hier Schamanen einen Todesritus vollzogen?

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Auf dem Rückweg nach Ernolsheim kommt man noch an der letzten Sehenswürdigkeit der Archäologischen Rundwanderung vorbei, dem Plattenweg. Die Römer hatten an der steilsten Steigung der Passstrasse Steinquader verlegt, in die sich im Laufe der Zeit tiefe Wagenspuren eingegraben haben.

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Wegen der zahlreichen Besichtigungen der Ausgrabungsstätten, Schalensteine und Felsen müssen für die Rundwanderung 6 1/2 bis 7 Stunden einkalkuliert werden.

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Ein Kommentar

Ein Kommentar to “Herbstwanderung in den Nordvogesen – 25.10.2008”

  1. Sehr geehrte Damen ud Herren,

    der Söldnerführer Ernst von Mansfeld (1580-1626) war im Sommer 1622 zum letzten Mal im Elsaß, damals als General des Pfalzgrafen-Winterkönigs, der ihn übrigens begleitete. Wie kann der damals angeblich 11jährige A. Elrichsen zu den Offizieren der pfälzisch-mansfeldischen Armee gehört haben? Zu überprüfen wären das Geburtsdatum und der betreffende Elsaß-Feldzug.

    Wenn Sie Lust haben, schauen Sie doch mal auf meiner Homepage vorbei!
    Alles Gute wünscht und freundliche Grüße sendet Ihnen
    Ihr

    Walter Krüssmann, Bonn

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